Spiritualität: Nicht alle Geister sind böse

Von Frederic Spohr

aus: https://www.zeit.de/entdecken/reisen/mer...komplettansicht


"Sie vertrauen auf Wahrsager, klammern sich an Amulette, befragen Astrologen und verschlingen Gruselgeschichten. Wieso glauben die meisten Thai an das Übernatürliche?

Es spukt in dem Haus gegenüber, daran gibt es keinen Zweifel. Zumindest sind die Straßenhändler in dieser Gasse Bangkoks fest davon überzeugt. Dabei sieht das "First House" von außen unscheinbar aus. Ein schmuckloses Hotel in einer geschäftigen Ecke des Stadtteils Pathum Wan. Vor dem Eingang steht ein gelangweilter Sicherheitsmann, nichts ahnende chinesische Touristen gehen ein und aus.

Die Händler haben sich dennoch lieber auf der anderen Straßenseite platziert. Taxis und Arbeiter mit Schubkarren quälen sich zwischen ihnen und dem Hotel durch die Gasse. "Natürlich ist da ein Geist drin", ruft einer der Händler, vor ihm ein Haufen frittierter Hähnchenschenkel. Die anderen nicken. Jeder kennt sie, die unheimliche Geschichte des "First House".
Fragt man an der Rezeption nach dem vermeintlichen Spuk, dann weicht das Lächeln aus dem Gesicht des Angestellten hinter dem Tresen.
"Ja, davon habe ich natürlich gehört", sagt der junge Mann. "Aber leider kann ich darüber nicht reden."
Auch seinen Chef wolle er dafür nicht aus dem Büro holen. Geister gibt es überall – zumindest nach dem Glauben der Thai. Sie wohnen in Häusern, in Bäumen, in Seen und Flüssen. Sie können Besitz von Menschen ergreifen, sie töten oder ihnen gelegentlich auch mal helfen. Jedenfalls empfiehlt es sich, sie keinesfalls zu verärgern, sollte man weiterhin ein glückliches Leben führen wollen.

Und danach richten sich die meisten im Land. Politiker und mächtige Militärs konsultieren regelmäßig Wahrsager und berichten von deren Prophezeiungen. Geschäftsleute lassen sich vor wichtigen Entscheidungen die Karten legen, Hochzeitstermine bestimmt nicht selten der Astrologe.

Manche der Geistergeschichten haben einen wahren Ausgangspunkt. So auch beim "First House": Das Hotel brannte im Jahr 1988 fast vollständig ab, 13 Menschen starben in den Flammen. Darunter auch eine Sängerin aus Singapur namens Shi Ni. Ihr Geist, so heißt es, spuke noch immer durch die Gänge und Zimmer.
Nach dem Glauben vieler Thai passiert das oft nach Katastrophen: Stirbt ein Mensch eines unnatürlichen Todes, ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Seele weiter umherirrt, besonders groß. Und tatsächlich: Hotelgäste des "First House" berichten in Internetforen, dass sie Stimmen gehört hätten. Zumindest unter den vielen chinesischen Touristen, die sich an diesem Tag in der Lobby aufhalten, will jedoch niemand etwas Ungewöhnliches bemerkt haben.


Wenigstens kann sich das "First House" damit trösten, nicht das einzige verfluchte Gebäude in Bangkok zu sein. Sogar eine ganze Wohnsiedlung ist vermeintlich verdammt: Einsam und verlassen liegt die Piyaporn Gated Community im Norden der Stadt. Aus den Gebäuden ragen schon Pflanzen empor. Die Anlage wurde auf einem Friedhof errichtet. Dummerweise hatten die Bauherrn wohl vergessen, die aufgewühlten Geister zu beschwichtigen. Das Unheil folgte prompt: Während des Baus kam es zu mysteriösen Unfällen, in einem nahen See ertranken drei Kinder.


"Es gibt viele Gründe, warum Aberglaube in Thailand so populär ist und sich sogar noch weiter verbreitet", sagt Andrew Johnson. Er ist Anthropologe an der Universität Princeton und hat lange in Thailand zu dem Thema geforscht.

Der Buddhismus sei anderem Glauben gegenüber offen, sagt er. "Man kann jeden beliebigen Geist anbeten, solange das nicht die buddhistischen Prinzipien verletzt." Auch die Monarchie und ihr als gottgleich verehrter König tragen dazu bei: So berichten Zeitungen etwa immer wieder davon, dass Bilder des Monarchen nicht verbrennen könnten.
Aberglaube zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten

Johnson ist überzeugt, dass der Aberglaube der Thai in den letzten Jahrzehnten sogar noch extremer geworden ist. Er macht dafür die rasante wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich, die das Land tiefgreifend umgewälzt hat. Unsichere Zeiten lassen die Menschen im Übernatürlichen nach Halt suchen. Der letzte Schrei: Geisterpuppen. Sie sehen wie echte Kinder aus und sollen auch so behandelt werden. Fühlt sich der Geist in der Puppe gut behandelt, soll er seinem Besitzer Glück bringen. Die Populärkultur nutzt ebenfalls gerne den tief sitzenden Aberglauben der Thai. Geisterfilme gehören zu den erfolgreichsten Produktionen. Nachts hören sich viele Taxifahrer und Sicherheitskräfte Gruselgeschichten an.

Das am weitesten verbreitete Anzeichen des Aberglaubens aber sind Geisterhäuschen. Die Schreine stehen vor fast jedem Gebäude und sind oft mit Blumengirlanden geschmückt, die dem Geist als Opfer dargeboten werden. Oder besser gesagt: den Geistern. Denn in der Regel werden zwei Schreine errichtet – einer für den Erdgeist und einer für den Himmelsgeist. Beide, so die Überzeugung der Thai, haben auf dem Stück Land gelebt, das jetzt der Mensch für ein Haus, eine Tankstelle oder einen Wolkenkratzer in Anspruch nehmen will.

Den Geistern muss also adäquater Ersatz geschaffen werden. Damit ihnen ihr neues Zuhause gefällt, hält man besser einige Regeln ein.
Erstens: Das neue Gebäude darf keine Schatten auf die Geisterhäuschen werfen.
Zweitens: Der Himmelsgeist will höher wohnen als der größte Mensch auf dem Grundstück.
Drittens: Das Geisterhäuschen sollte ansehnlicher sein als das Menschenhaus.
Und viertens: Die Geister möchten unterhalten werden – zum Beispiel mit Figuren von Tänzern und mit regelmäßigen Opfergaben.

Gefällt es ihnen nämlich nicht, ziehen die Geister vielleicht doch ins Haus des Menschen zurück und stiften dort allerhand Unruhe. Wer länger zu Besuch kommt, sollte deswegen dem Geist die Ehre erweisen und ihm möglichst auch ein Geschenk mitbringen. Besonders beliebt: Erdbeer-Fanta. Viele Thai glauben, dass die kräftige Farbe und die starke Süße den Geistern gefällt. Ob die rote Farbe tatsächlich Blut symbolisieren und Tieropfer ersetzen soll, ist dagegen umstritten.

Es ist nicht nur das einfache Volk, dass sich vom übernatürlichen leiten lässt. Aberglaube zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten – bis ganz nach oben.

Der aktuelle Machthaber des Landes General Prayuth Chan-ocha und seine Vertrauten konsultieren regelmäßig einen Wahrsager im Norden Thailands. Der General ist außerdem stolzer Besitzer einer Amulette-Sammlung, die ihm Glück bringen soll. Als er dann doch einmal gesundheitlich angeschlagen war, warf er seinen Gegnern vor, sie hätten schwarze Magie angewendet.

Natürlich sind nicht alle Thai dermaßen abergläubisch. Viele sehen den Mystizismus ihrer Mitmenschen mit Skepsis. Eine Facebook-Seite mit dem Namen "Fuck Ghost", die den Aberglauben der Thai veralberte, sammelte in kurzer Zeit mehrere Tausend Anhänger.
Der anonyme Gründer zertrampelte in einem Video mehrere Zebrafiguren – seine Landsleute hatten sie aufgestellt, um Verkehrsunfällen vorzubeugen. Doch solche Aktionen ändern nichts daran, dass weiterhin viele Thai auf transzendentalen Beistand hoffen. Nirgendwo kann man das besser beobachten als am Tempel Wat Mahabut in Bangkoks Stadtteil Phra Khanong. Hier steht ein Schrein für einen Geist, den jedes Kind in Thailand kennt: Nang Nak.

Nang Nak ist ziemlich alt. Sie spukt schon seit mehr als 150 Jahren durch Phra Khanong. Der Legende nach wurde der Gatte von Nang Nak zum Militärdienst eingezogen, als sie schwanger war. Die wunderschöne Frau starb bei der Geburt, ihr Geist jedoch lebte weiter. Als der Mann aus dem Krieg zurückkehrte, merkte er anfangs nicht, dass er mit einem Gespenst zusammenwohnte. Als er es schließlich doch herausfand, flüchtete er sich in den Tempel Wat Mahabut.

Über das Ende gehen die Erzählungen auseinander: In manchen wird Nang Nak von einem Mönch gefangen, in anderen spukt sie weiter. Der Tempel jedenfalls ist eine beliebte Wallfahrtsstätte geworden. Täglich spenden Dutzende Pilger an dem Schrein schöne Kleider oder Spielzeug. Junge Frauen, die gerne schwanger werden möchten, kommen hierher. Und junge Männer, die dem Militärdienst entgehen wollen, über den in Thailand auch das Los entscheidet. Sie alle bitten Nang Nak um Hilfe.
Nicht alle Geister sind eben böse."

Hallo ihr Lieben,

hier gibt es ja auch was über Geister, die absolut nicht böse sind.
Da war doch mal was mit Einbrechern, die von Geistern festgehalten wurden, bis die Hausbesitzer wiederkamen, oder? Und hinterher stellte sich heraus, dass es die vestorbenen Eltern der Hausbesitzer waren, die aufgepasst hatten.

Ich glaube sowieso, dass es hier voller Geister ist, die aber ihren eigenen Weg gehen und uns gar nicht so mitbekommen, wie man immer meint.
Geistwesen, die noch meinen, etwas erledigen zu müssen, bevor sie weitergehen.
Ich würde sagen, dass diese eher neutral zu uns sind. Wenn wir sie mitbekommen, nennen wir es Spuk und wir erschrecken, aber letztendlich haben sie uns nichts getan.

Aber auch sehr interessant finde ich diese Fragestellung, ob Geister uns etwas antun können, worüber wir hier auch vieles stehen haben:

Können uns Geister etwas antun?

Hi, also das mit dem Geist, der die Einbrecher festhält, bis die Bewohner wiederkommen, kenn ich, aber hab ich grad nicht gefunden, aber dafür die Sache mit dem Geist, der in sein altes Haus zurückkehre, bzw. sie, und auf ein krankes Kind aufpasste. Klickst du und guckst du hier:

Geister - wahre Vorfälle

Hallo ihr,

warum sollten Geistwesen auch immer bösen sein, sprich negativ.
Es sind unter anderem nichts anderes als Seelen, die aus verschiedenen individuellen Gründen noch hier im Diesseits verweilen und so man den Beobachtungen Glauben schenken darf, mitunter die Lebenden, also uns hier im Diesseits oftmals gar nicht mitbekommen. Denn sie existieren in ihrer "eigenen Welt". Wir übrigens auch!

Hallo,

ohne mich über die Thai´s lustig machen zu wollen, entbehrt es nicht einer gewissen Komik:

"Wer länger zu Besuch kommt, sollte deswegen dem Geist die Ehre erweisen und ihm möglichst auch ein Geschenk mitbringen. Besonders beliebt: Erdbeer-Fanta. Viele Thai glauben, dass die kräftige Farbe und die starke Süße den Geistern gefällt"

Erdbeer-Fanta!


Hallo @Blue,
ich denke, dass dies im Sinne des Betrachters liegt.
Wer entscheidet, was natürlich, sprich normal, oder unnatürlich /unnormal ist.
Es ist die Gesellschaft, die dies entscheidet, bewusst oder vom Alten übernommen.
Wir denken, dass die Seele eines Verstorbenen sofort "weitergeht", doch was ist, wenn dies gar nicht zutrifft und die Seele noch einige Zeit bei seiner Familie / Hinterbliebenen verbleibt?
Dann: Man reiche ihr Erdbeer-Fanta... (Scherz)

Hi, äh, also wenn ihr mich fragt, kommt es jetzt nicht wirklich darauf an, was die Leute oder andere Kulturen darüber denken, sondern auf das, was wirklich ist, sag ich mal so.
Muss sich ein Geist, ich sag mal, eine Seele von einem Verstorbenen, also wenn es das ist, dann landestypisch gesellschaftskonform betragen? Vor allem, was ist, wenn er Erdbeer-Fanta nicht ausstehen kann? Dann sacht er sich, also nö, wenn ich hier in Thailand Erdbeer-Fanta vorgesetzt kriege, dann spuke ich lieber in England, die haben Ham & Eggs. Und also ich wüsste jetzt nicht, dass irgendwer hier denkt, Seelen müssten oder würden sofort weitergehen auf ihrer Entwicklung, also eine Entwicklungsstufe höher oder weiter. Aber ich weiß überhaupt nicht, was andere denken, so gesehen. Ich für meinen Teil habe jedenfalls gelesen, dass wenn jemand stirbt, seine Seele noch etwas dableibt, also im Kreise seiner Lieben und so. Ist doch schön, so gesehen, oder nicht?

Sehe ich auch so!

Zitat von Parafreak im Beitrag #7

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Muss sich ein Geist, ich sag mal, eine Seele von einem Verstorbenen, also wenn es das ist, dann landestypisch gesellschaftskonform betragen?

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Zitat von Parafreak im Beitrag #7

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Ich für meinen Teil habe jedenfalls gelesen, dass wenn jemand stirbt, seine Seele noch etwas dableibt, also im Kreise seiner Lieben und so. Ist doch schön, so gesehen, oder nicht?

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Hi,

Zitat von Elfenkönig McIntosh im Beitrag #9

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Hier widersprichst du dir gerade selber

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